Vom Wollen, Würden und Können.

13. Juni 2013

Ich will ja. Und ich würde gern. Aber das Können, das ist noch so eine Sache.

Am Tag gibt es immer wieder Miniaturen, die sich in meinem Hirn formieren und eigentlich in das Blog einziehen könnten. Manchmal ein Link, ein Gedanke, ein flüchtiger Moment, von dem man erzählen könnte. Dann fehlt die Zeit, ich schiebe es zur Seite, beschäftige mich mit meinem Job, verlasse das Gebäude, fahre nach Hause und finde es nicht wieder. Habe es zur Seite geschoben und irgendwo dort ist eine Klippe in meinem Hirn, über die es dann stürzt. Unwiederbringlich.

Manchmal trage ich es nach Hause und dann sind die Worte so sperrig. Eckig. Unkooperativ. Dann blinkt der Cursor, die Worte schieben sich hinaus, ich schaue sie an und sie sind so unrund. Sie sagen nicht das, was ich erzählen wollte. Zwischen den Zeilen, dort, wo ich gewöhnlich das meiste erzähle, da ist leerer Raum. Whitespace, in dem ich mich nicht wiederfinde. Dann macht es mich unglücklich, unzufrieden und unausgeglichen.

Ich hätte gern wieder eine Routine, die mir erlaubt, in alter Regelmässigkeit die Dinge aus meinem Kopf hinauszuschreiben. Wüsste ich nur noch, wie es geht. Ich kann mich nicht erinnern. Das Innendrin, was sonst, früher, für das Schreiben zuständig war, ist hölzern, brüchig und sperrig.

Mir fehlt der Dialog mit euch, mir fehlen die manchmal ordnenden Kommentare, das Verstehen und das gemeinsame auf Dingen herumdenken. Allein, wüsste ich nur, wie das nochmal ging, das mit diesem Blog…

Versatz.

26. April 2013

Eigentlich sind das die besten Momente im Sommer. Wenn es still wird, die Vögel abwartend schweigen und dann die Welt ausatmet. Den Wind ausatmet, der das nahende Gewitter ankündigt. Wenn das Licht weich und die Luft regenschwer wird. Bis dann das sanfte Trommeln der Regentropfen die Stille ablöst und die Welt sich weiterdreht.
Kurz bin ich verwundert, dass ich dabei „Sommer“ denke, dabei ist es erst Frühling. Aber vielleicht war der Winter einfach zu lang, um noch richtig in den Jahreszeitet verortet zu sein. Als hätten wir etwas übersprungen. Wenn ich länger darüber nachdenke, fühlt es sich fast an, als wäre „verloren“ das richtigere Wort.

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Der Wagen vor mir rollt langsam aus und bremst an der Strassenverengung, um erst den Gegenverkehr durchzulassen. So stehen wir für einen Moment und ich habe Gelegenheit, sie zu beobachten. Wie sie energisch aus der Einfahrt kommt, fast einen geschäftlichen Eindruck macht. In ihrer schwarzen Hosen, dem schwarzen Trenchcoat und dem festen, zielgerichteten Schritt. Der so gar nicht zu diesem Ort passen will. Sie nutzt eine Lücke zwischen den Autos und geht auf die andere Strassenseite. Ihr Mantel weht im Wind, was den dynamischen Eindruck noch verstärkt. Dort bleibt sie stehen, dreht sich wieder zurück in die Richtung, aus der sie eben kam. Steht dort. Sieht hinüber. Ich folge ihrem Blick und frage mich, was sie dort sieht. Denn eigentlich sind von ihrem Standpunkt aus nur die alten, hohen Bäume und die kleine Mauer der Einfahrt des Friedhofes zu sehen. Sie greift in ihre Manteltasche und hält eine Kamera in der Hand, fotografiert, während der Gegenverkehr vorübergefahren ist und auch ich meinen Weg fortsetze. Während ich den Blick von ihr abwende und weiterfahre, denke ich noch kurz, dass ich nicht auf einem Foto der Friedhofseinfahrt sein möchte.

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Kirmes.Gehirn.

9. April 2013

Normalerweise ist Kirmesgehirn die eigentlich liebevolle Bezeichnung für den grauen Klumpen in meinem Schädel. Im Moment allerdings sind wir uns über den abzuliefernden Funktionsumfang uneins.

Ich hatte erst mein linkes Auge im Verdacht. Aber das wäre wohl zu einfach gewesen. Jedenfalls bestätigte der konsultierte Augenarzt, nachdem wir fast den ganzen Tag miteinander verbrachten, die Unbeschädigtheit von Sehnerv und Hornhaut, attestierte dazu eine völlig normale Durchblutung des Auges. Gut, dass beide Augen in Sachen Feuchtigkeit eher Ähnlichkeiten mit der Wüste Gobi aufwiesen, geschenkt. Immerhin keine Tumbleweeds.

Nichts desto trotz, im linken Sichtfeld stimmt was nicht. Inzwischen, 4 Wartezimmer und 9 Tage später, stimmt es immernoch nicht. Nur weiss noch niemand, woran das, was da nicht stimmt, liegt.  Mit meiner Frisur und den Unmengen an Haaren habe ich so heute noch den Sprechstundenhilfen beim Neurologen große Freude bei der Vorbereitung zum EEG liefern können. Ich wusste, eines Tages würde sich jemand so richtig über meine Haare freuen. Was aber trotz allem nicht zu einer Aussage führte, was nicht stimmt. So lege ich mich also dann Freitag auch noch ins MRT und lasse hübsche Bilder meiner privaten Kirmes anfertigen. (Hat hier jemand einen Erfahrungswert, ob ich davon Abzüge kriegen kann? Ich würde mir ja, narzisstisch wie ich bin, unfassbar gern Bilder meiner Kirmes an die Wand hängen.)

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich habe nicht vergessen, dass ich versprach, das Blog ein wenig aktiver zu halten. Allein, die Kirmes hat Einwände und ich sehe euch nicht so richtig gut, was die Tipperei mühsam macht.

Maschen und Wellen.

5. März 2013

Zuletzt, als es sich so anfühlte, habe ich begonnen, einige meiner Möbel zu lackieren. Jetzt, wo es sich so anfühlte, habe ich begonnen, das Stricken zu lernen. Weil es keine Möbel mehr gab, die ich hätte lackieren können.
Weil es keine Sonne gab, die das Licht lieferte. Keine warme Luft, die das Trocknen des frischen Lacks hätte beschleunigen können. Aber meinem Hirn war das egal. Mein Hirn drehte frei und irgendwo musste dieses ganze Chaos hin.

Das Aufschreiben, bloggen, Worte dafür finden, das ging nicht. Alles war zu ungeordnet. Manches hat mir eine solche Angst gemacht, dass die Worte nicht wollten. Vielleicht weil ich in meinem Blog gelernt habe, dass die Worte es deutlich machen. Greifbar. Dass ich Dinge, wenn ich sie aufschreibe, dabei zwangsläufig ansehen und sortieren muss. Ich wollte aber nicht hinsehen. Ich wollte mein Vergessen zurück.

Dann sah ich dieses Foto eines Schals im Fischgrätmuster. Den wollte ich. Das wollte ich lernen. Mein Hirn mit Maschen ablenken, es austricksen, es zwingen, sich mit meinen Händen und den Wollfäden zu beschäftigen. Zu lernen, wie man die Nadeln hält. Zu lernen, wie der Faden im richtigen Rhythmus durch die Finger gleiten muss, wie die Nadeln in die Maschen gehören, wie die Bewegungen funktionieren. Gleichmässig, wie Wellen und Atmen. Denn Atmen, das war manchmal das einzige, was ich noch konnte.

Jetzt kann ich stricken. Jetzt habe ich einen Schal im Fischgrätmuster. Und einen mit rechten und linken Maschen. Und eine Mütze. Und einen weiteren Schal im Fischgrätmuster, den ich inzwischen verschenkt habe und der jemand anderen begleitet in den ersten Frühlingstagen, die manchmal noch kühl sind. Im Wind, der manchmal, wie eine Erinnerung an diesen viel zu langen und zu dunklen Winter in die Kleider huscht. Als wollte er sagen, trau dem Frühling nicht. Trau der Sonne nicht, ich bin noch nicht weg. Genauso wenig weg wie all‘ Dinge in meinem Kopf.

Vom Schimmer, von Leuchttürmen und vom Schnee.

20. Februar 2013

Auf dem Weg in mein Büro fahre ich durch das immer gleich Waldstück. Jeden Morgen sehe ich die Bäume an und seit Wochen warte ich. Warte auf das zarte Grün. Noch keine Blätter, noch nichts, was wirklich deutlich vom Frühling erzählt. Aber irgendwann bekommen die Bäume und das Unterholz diesen Schimmer.

Heute morgen war es das erste Mal zu sehen. Ein weiches, zartes grünes Leuchten.
Ich hab es gesehen und dachte, es wäre ein guter Tag. Ich habe das Schimmern angesehen, wie es vom Frühling erzählt. Dieses ganze Ding mit Hoffnung, Licht und es geht weiter. Dieses ganze Ding, in dem man für einen Moment vergisst. Vergessen kann, dass man gerade keine Antworten hat. Keinen Plan. Dabei habe ich gerne einen Plan. Ein Konstrukt, an das ich mich halten kann. Ich verstehe die Dinge gern. Ich weiss gern, was ich tun kann.

Ich würde gern auf einem Leuchtturm wohnen. Ich würde gern die Landschaft sehen und verstehen. Dann hätte ich einen Plan. Ich würde die Dinge verstehen, die ich sehe. Das Meer, die Gezeiten, das alles hält sich an Regeln. Es ist berechenbar und das alles kann man lernen. Man kann darüber lesen und es verstehen. Man kann mit den alten Seemännern sprechen und sie könnten einem alles, was man nicht versteht, erzählen und erklären. Ich wüsste dann, dass ich sie fragen kann und Antworten bekommen würde. Ich wüsste, was ich zu tun habe. Abends, in der Dämmerung müsste ich das Licht vorbereiten. Ich müsste Acht geben, dass es leuchtet und das es da ist und über Nacht bleibt. Verlässlich. Ich hätte gelernt, was ich tun muss, damit das alles funktioniert und das Licht hinaus auf das Meer leuchtet.

Darüber denke ich nach, während der grüne Schimmer an mir vorüberzieht und das Vergessen nur für diese wenigen Sekunden angehalten hat.

Hinter der nächsten Kurve beginnt der Schnee zu fallen. Langsam, leise und stetig. Und ich weiss, das hier ist nicht der Frühling und es ist kein guter Tag.